Druckfrisch

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ARD
So, 13.04.2025 | 23:35 - 00:05

Literatur (D 2025)

"Die Rückseite des Lebens" von Yasmina Reza (Hanser): Sie ist ein Star der französischen Literatur. Ihre Werke "Kunst", "Drei Mal Leben" und "Der Gott des Gemetzels" gehören zu den meistgespielten Theaterstücken weltweit. Yasmina Reza gibt nur selten Interviews, doch Druckfrisch hat sie nun ein Rendezvous gewährt. Rund 40 Gerichtsprozesse hat Yasmina Reza in den vergangenen Jahren besucht. Aus Neugier und auf der Suche nach den Geschichten, die das wahre Leben schreibt. Von etwa 20 dieser Prozesse berichtet sie in ihrem neuen Erzählband. Meist nüchtern und schnörkellos. Und gerade das macht viele der Episoden so trostlos-erschütternd, so unmittelbar grausam: Da ist die Ehefrau, die ihren Mann erschießt und im Garten verscharrt, in dem die Kinder spielen. Da ist der nette Nachbar, der das Erbe alter Damen erschleicht und ihnen anschließend Gift untermischt. Es sind aber auch prominente Prozesse, die Reza beobachtet hat: Zum Beispiel den um Frankreichs Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy, der sich wegen Korruption verantworten musste. Immer sind es Kippmomente des Lebens, von denen diese Prozesse und nun auch Yasmina Reza erzählen? Welche letzte Provokation führt zum Ungeheuerlichen? Welche Demütigung löst die Rache aus? Welches Ereignis verändert alles? Reza kombiniert ihre Gerichtsreporte mit ungekannt privaten eigenen Erinnerungen. Meist handelt es sich auch hier um Momente, die ihrem Leben und Erkennen der Welt eine neue Wendung gegeben haben. "Das Geheimnis der Wolken" von Vincenzo Levizzani (HarperCollins): Er möchte "den Kontakt zu unserem Wolkenuniversum wiederherstellen" – der italienische Physiker und Atmosphärenforscher Vincenzo Levizzani erklärt das, was uns fast jeden Tag am Himmel begleitet: die Wolken am Himmel. Sie sind flüchtig und wandelbar und deshalb so schwer in wissenschaftliche Berechnungsmodelle zu fassen wie kaum ein anderes Naturphänomen: die Wolken. Und doch ist die Sehnsucht uralt, durch die Beobachtung der Wolken das Wetter vorhersagen zu können. Vincenzo Levizzani ist Forschungsleiter am Institut für Atmosphärenwissenschaften und Klima in Bologna und hat all sein Wissen über Cumulus- und Cirus-Wolken, Hydrometeore, Multizellen und Zyklone in einem unterhaltsamen, allgemeinverständlichen Buch vereint. Denn die Erforschung des Himmels ist nicht nur für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Belang. "Ist uns eigentlich bewusst", fragt Levizzani gleich zu Beginn, "dass wir den größten Teil unseres Lebens unter einer Wolkendecke verbringen?" Wolken sind immer da, auch wenn der Himmel strahlend blau erscheint. Levizzani erklärt, warum keine Wolke der anderen gleicht, was man über ihre Entstehung weiß und wie Wolken und Klimawandel miteinander korrespondieren könnten. Empfehlung von Denis Scheck: "Der große Gatsby" von F. Scott Fitzgerald (Manesse Verlag): Es ist einer der verführerischsten Romane der gesamten Weltliteratur. Er bietet einen Blick hinter die Kulissen des amerikanischen Traums, ja für viele ist er so etwas wie die Entschlüsselung der DNA der USA: "Der große Gatsby". Er erzählt von Geld und Liebe und dem mühseligen und oft leidvollen Weg auf der Suche nach beidem. Dabei ist es ein unglaublich schmaler und atemberaubend elegant konstruierter Roman, gerade mal 176 Seiten, quasi Kondensliteratur. Vor exakt 100 Jahren, im April 1925, ist der Roman erstmals erschienen. Und jetzt liegt er in einer wunderbaren Neuübersetzung von Bernhard Robben sowie in einer von Horst Lauinger üppigst kommentierten und von Claudius Seidl klug benachworteten Prachtausgabe im Manesse Verlag vor. Am Ende von "Der große Gatsby" lesen wir von der berühmtesten Unfallflucht der Weltliteratur. Eine Frau stirbt nach einem Autounfall. Der vermeintliche Täter, ein Superreicher, wird von ihrem Ehemann erschossen. Vor diesem Showdown erzählt Fitzgerald eine Liebesgeschichte: Jay Gatsby ist ein Mann, der nach oben will – auch, weil er ins Bett will mit Daisy Buchanan, einer Frau aus der amerikanischen Oberschicht. Deshalb rafft er in Zeiten der Prohibition auf mehr als zwielichtige Weise ein Vermögen zusammen. Doch Daisy hat sich in der Zwischenzeit einem anderen zugewandt, der sein Vermögen ererbt hat. Der eigentliche Held dieses Romans ist aber nicht der große Gatsby. Auch nicht seine angehimmelte Daisy. Der Held ist der Erzähler Nick Carraway, genauer gesagt seine Erzählerstimme, in der Bewunderung für Chuzpe und Aufstiegswillen, aber auch Menschenfreundlichkeit, moralische Integrität und Sinn für Schönheit zusammenkommen – eben all das, was einmal den amerikanischen Traum ausmachte. Außerdem in Druckfrisch: Ein Text des Dichters und Schriftstellers Rolf Dieter Brinkmann. Er wäre im April 2025 85 Jahre alt geworden. Und Denis Schecks erfrischend pointierte Revue der Spiegel-Bestsellerliste, diesmal Belletristik.

Thema
  • "Die Rückseite des Lebens" von Yasmina Reza (Hanser).
  • "Das Geheimnis der Wolken" von Vincenzo Levizzani (HarperCollins).
  • Empfehlung von Denis Scheck: "Der große Gatsby" von F. Scott Fitzgerald (Manesse Verlag).
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