Land im Gezeitenstrom
Vom Ijsselmeer nach Zeeland
Natur (D 2014)
Der zweite Teil der Reise entlang der niederländischen Küsten führt von der Nordseeinsel Texel über das Ijsselmeer, durch Amsterdam und Rotterdam bis zum großen Flussdelta von Rhein, Maas und Schelde im Südwesten, immer an Bord eines historischen Plattbodenschiffes. Auf Texel, wo die großen Frachtsegler früher Vorräte und Wasser für die lange Reise bunkerten, streifen heutzutage strandräubernde sogenannte Jütter über die Sände. Putzige Schafe strampeln um ihr Leben, wenn sie auf den Rücken gekullert sind. Die alten Segelschiffe der Ostindien-Kompanie, die den Niederlanden im 17. Jahrhundert Ruhm und Reichtum einfuhren, werden originalgetreu rekonstruiert: vom Segel bis zur Holzplanke. Sie liefen Hafenstädte wie Enkhuizen oder Medemblik an, die jetzt malerische Touristenorte am Westufer des Ijsselmeeres sind. Oder auch Hoorn, die Stadt, aus der die waghalsigen Kap Hoorniers aufbrachen. In Monnikendam bedient der "Klokkenist" das älteste bespielbare Glockenspiel der Welt. Die Käseträger laufen flink wie Wiesel über den gigantischen Käsemarkt in Alkmar. Das hügelige nordholländische Dünenreservat am Nodseestrand entpuppt sich als riesiger Trinkwasserfilter für Tausende Menschen in dieser Gegend. Amsterdam ist von Wasser durchzogen wie keine andere Großstadt. In der Stadt wurde der Amsterdamer Pegel "erfunden", ein Höhenbezugspunkt, auf den sich Wasserstandsangaben in ganz Europa beziehen. Hier bauen seit über 140 Jahren Drehorgelbauer ihre Instrumente, natürlich in Handarbeit. Vor Amsterdam, im südlichen Zipfel des Ijsselmeeres, liegt die trutzige Festungsinsel Pampus, wo man die Seele baumeln lassen kann. Farbenfroh ist die südniederländische Gezeitenküste, denn hier blühen die meisten Tulpen. Ob Tulpenzwiebel oder als blau ausgefranste Tulpenart, die Blumenproduktion ist rekordverdächtig, so wie ihre Bedeutung für die Wirtschaft. Windmühlen mahlen seit vielen Hundert Jahren Getreide für Brot oder für den berühmten Jenever. Oder Farbenpulver, wie damals, als Rembrandt seine Farben vom Müller kaufte. In Leiden hat der berühmte Maler gelebt, nicht weit von Delft, wo Vermeer sein Atelier hatte und wo immer noch das "Delfter Blau" präsent ist. Um in den Niederlanden siedeln zu können, musste es entwässert werden. In Kinderdijk drehen sich die Flügel von 19 Poldermühlen im Wind so wie vor 300 Jahren. Sie pumpen das Wasser aus dem flachen, nassen Land, ein UNESCO-Weltkulturerbe, innen bewohnbar. Im Nationalpark De Biesbosch, dem größten Süßwassergezeitengebiet der Welt, steigt und fällt das Wasser 80 Kilometer landeinwärts mit der Tide. Nebenan ziehen wandernde Sanddünen mitten durch das Land. Gigantische Küstenschutz- und Sperrwerke, Kanäle und Schleusen: Das sind die Wahrzeichen Zeelands, der südwestlichen Provinz der Niederlande. Als "Achtes Weltwunder" bezeichnet der Volksmund die Sturmflutwehre der Deltawerke, errichtet nach der mörderischen Flut von 1953. Fast 50 Jahre lang haben die Niederländer an diesem einzigartigen Schutzsystem gebaut und so die stürmische Nordsee quasi ausgesperrt. Hinter den Wehren ist Zeeland zusammengewachsen aus vielen Inseln. Walcheren ist eine von ihnen, mit eigenwilligen Trachten, reitenden Ringstechern, den einst großen Orten Middelburg und Vlissingen und alten Segelschiffen, die übersetzt "Hocharsch" heißen. Doch nicht alle Inseln und Orte haben Stürme und Fluten überlebt: Oud-Rilland ist im Gezeitenschlick versunken, taucht aber wieder auf – in der Westerschelde, von Ebbe und Flut angehoben, gleich neben dem Fahrwasser der größten Containerfrachter. In der Osterschelde ist Erntezeit: Herz- und Miesmuscheln holt man aus dem Wasser und eine veredelte Auster. Hier geht die Filmreise entlang der niederländischen Küste zu Ende, eine Reise mit den Gezeiten, zwischen Ebbe und Flut.